WS 2010/2011                         exam translation (advanced)                text #0: model answer    

                                                                                               Vom Übersetzen

   In einer Welt, deren Bewohner über die Grenzen von Politik und Sprache hinweg immer mehr [immer stärker] miteinander verbunden [verknüpft/vernetzt] sind, versteht es sich von selbst [ist es selbstverständlich], dass das Übersetzen eine tägliche Notwendigkeit ist. Da jedoch gute Übersetzer selten sind, sind falsche ["schiefe"/missglückte] Übersetzungen recht häufig [nicht selten/an der Tagesordnung]. Das führt gelegentlich zu schweren [ernsten] Missverständnissen und trägt nicht dazu bei, etwaige [etwa bestehende] Spannungen zu vermindern [abzubauen/beizulegen]. Sogar zwischen den beiden Zweigen der Sprache, die wir immer noch für ein und dieselbe halten, nämlich Englisch und Amerikanisch, können Missverständnisse auftreten [kann es Missverständnisse geben/kann es zu ... kommen] – wie viel mehr (noch) [erst recht] zwischen zwei gänzlich verschiedenen Sprachen.

   Was ist nun die erste Pflicht des Übersetzers? Er muss die Bedeutung der Wörter in seiner Vorlage [in seinem Ausgangstext] vollauf [gänzlich] verstehen: nicht nur ihren allgemeinen Sinn [ihre allgemeine Richtung], sondern ihre genaue Bedeutung. Gerade die vertrauten Wörter führen manchmal durch unerwartete Überschneidungen und falsche Ähnlichkeiten in die Irre

     Aber das ist nur der erste Schritt [ist erst der Anfang]. Jeder, der [wer auch immer] sich wirklich [ernsthaft] mit dem Geschäft des Übersetzen befasst hat [sich mit dem Übersetzen "beschäftigt" hat], weiß, dass die Schwierigkeit [Mühe] nicht darin besteht, die Entsprechung für dieses oder jenes Wort zu finden; sie besteht darin, herauszufinden, wie der Satz als Ganzes zu übertragen ist [wie man den Satz als Ganzes überträgt]. Es ist fast unmöglich, einen Satz zu übersetzen, ohne zu umschreiben. Es ist eine Umschreibung, wenn man wie geht es Ihnen? mit how are you? übersetzt, oder er hat Geld wie Heu mit he has money to burn. Jedes Wort für sich [einzeln] in die andere Sprache zu übertragen, ist keine erstrebenswerte Leistung; das Ergebnis wäre Unsinn. Worauf diese warnenden Beispiele hinauslaufen, ist dies [folgendes]: ein Übersetzer darf nicht davor zurückschrecken, vom Wortlaut [vom wortwörtlichen Inhalt] seiner Vorlage [seines Ausgangstextes] abzuweichen [abzugehen]. Das ist immer dann von äußerster Wichtigkeit, wenn in der Vorlage ein rhetorisches Stilmittel [ein rhetorischer Kunstgriff] vorkommt [auftaucht/...einem begegnet], das [der] möglicherweise das Gegenteil von dem ausdrückt [beinhaltet/meint], was tatsächlich gesagt wird. Als Thomas Nugent Montesquieus „Vom Geist der Gesetze(„De l'esprit des lois“) übersetzte, entging ihm in einer berühmten Stelle über die Sklaverei der Schwarzen die Ironie völlig: so völlig, dass er sich verpflichtet fühlte [dass er sich bemüßigt fühlte], in einer Anmerkung [Fußnote] sich für den großen Autor zu entschuldigen [dass er glaubte, sich entschuldigen zu müssen .... ], der (= der Autor), obwohl aufgeklärt [ein Mann der Aufklärung], immer noch die Sklaverei verteidigte. Die Entschuldigung hätte an den Autor gerichtet werden sollen [gerichtet gehört], der solchermaßen [derart] missdeutet [falsch wiedergegeben/missinterpretiert] wurde.

   Seit Jahrhunderten sind unsere Bücherschränke [Bücherborde] voll von Werken in "berühmten" Übersetzungen, die trotzdem seitenweise Kauderwelsch enthalten - das Kauderwelsch, das von einer allzu bequemen Worttreue herrührt [kommt]. Ohne diesen Fehler wären uns möglicherweise  Übersetzungen erspart geblieben, die arg [schlimm] entstellt sind durch Schülerschnitzer [Anfängerfehler / Fehler von blutigen Anfängern], die man ungern bedeutenden Gelehrten anlastet. Man hat behauptet [gesagt], dass das Übersetzen eine Kunst ist [sei]; wenn dem so ist [wenn dies zutrifft/stimmt], dann ist es eine   Kunst, bei deren Erwerb man alt und müde wird.

LANGUAGE TAKEN LITERALLY (2)

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